Interview mit Verena Gründel, Brand & Communications Director DMEXCO

Frau Gründel, Sie sind seit 2024 das Gesicht der DMEXCO. Wie hat sich Ihre Rolle als Brand & Communications Director im vergangenen Jahr entwickelt – und was haben Sie sich für 2025 vorgenommen? 

 
2024 war mein erstes Jahr in dieser Rolle und ich bin direkt ins kalte Wasser gesprungen: neue Branche, neue Bühne, neue Erwartungshaltung. Ich sehe meine Aufgabe nicht nur darin, die Marke DMEXCO sichtbar zu machen, sondern wir als führendes Event haben auch eine Verantwortung: Wir bringen hier hochkarätige Entscheider zusammen. Wenn daraus nachhaltige Wertschöpfung entsteht, dann profitieren Unternehmen, Branchen – und im besten Fall auch Europa als Wirtschaftsstandort. 

 

Was bedeutet das Motto „Be bold. Move forward.“ für Sie persönlich – und wie spiegelt es sich im diesjährigen Programm der DMEXCO wider? 

 
Für mich ist es mehr als ein Motto. Es ist eine Haltung. Mut ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, wenn wir die digitale Zukunft aktiv mitgestalten wollen. Die Herausforderungen sind angesichts der Umwälzungen durch KI, geopolitischen Spannungen und wirtschaftlichen Krisen groß. Wer jetzt mutig ist, wird mit Sichtbarkeit und Marktanteilen belohnt und bringt sich, das Unternehmen, die Wirtschaft und vielleicht sogar die Gesellschaft voran.  

 

Wie gelingt es Ihnen, jedes Jahr neue Trends und Innovationen auf der DMEXCO abzubilden? 

 
Indem wir sehr genau hinhören und –schauen: Wir wälzen nicht nur Studien und lesen die Medien, wir tauschen uns auch mit unserer Community, also Branchevertretern, Creatorn, Brands und Tech-Vorreiter:innen, aus. Wir beobachten, hinterfragen, vernetzen, und wir kuratieren daraus ein Programm, das weiterbildet, unterhält und inspiriert. 

 

Die DMEXCO ist ein Branchentreffpunkt mit internationalem Renommee. Wie schaffen Sie die Balance zwischen globalen Perspektiven und lokalen Themen? 

Digital ist global, aber Wirkung entsteht oft lokal. Deshalb holen wir internationale Thought Leader nach Köln, aber vergessen nie, was den deutschen Markt bewegt. Unser neues Retail-Media-Programm ist ein gutes Beispiel: Es dockt an globale Trends an, bleibt aber nah an der Praxis hiesiger Player. 

 

Sie waren viele Jahre Chefredakteurin bei W&V. Welche Rolle spielt journalistische Qualität in einem zunehmend datengetriebenen Werbemarkt? 

 
Eine größere denn je. Gerade in Zeiten von Automatisierung und generativer KI braucht es Stimmen mit Haltung, Fakten mit Tiefe und Stories mit Relevanz. Journalismus schafft Vertrauen. Das ist in der Kommunikation der vielleicht wichtigste Rohstoff überhaupt. 

 

Welche Entwicklungen in der Medien- und Marketingwelt beobachten Sie mit Sorge – und welche mit Hoffnung? 

 
Mit Sorge beobachte ich den Vertrauensverlust in Medien und dass sich Werbegelder zunehmend bei wenigen Plattformen konzentrieren. Ein weiterer Punkt sind Adfraud und Made-for-Marketing-Seiten, über die Gelder indirekt in fragwürdige oder sogar kriminelle Strukturen fließen. Hoffnung macht mir dagegen, dass viele Marken sich ernsthaft mit Verantwortung, Diversität und Nachhaltigkeit befassen und dass echte Kreativität wieder zählt: Laut unserer Kantar-DMEXCO-Studie ist sie für 63 Prozent der Marketer wichtiger geworden. Und ja, die wirtschaftliche Stimmung hellt sich auf – das hebt auch den Stellenwert von Marketing wieder. 

 

Rückblick auf ein Jahr #DigitalDigest und DMEXCO Podcast: Was war Ihr persönliches Highlight – und welches Thema hat Sie besonders bewegt? 

 
Ein Highlight war Podcast-Gast Jamie Teevan, Chief Scientist von Microsoft, die mir davon erzählte, wie sie Monate vor dem Release zum ersten Mal ChatGPT vorgefühlt bekam – und wie sie realisierte, welchen Impact das auf die Welt haben würde. Ein anderes war die Live-Aufzeichnung mit Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes, der wahnsinnig spannende Konzepte für die Zukunft von Deutschland mit mir und dem Publikum teilte. Das liebe ich sehr an meinem Job: die Möglichkeit, intensive Gespräche mit wahnsinnig beeindruckenden Menschen zu führen.  

 

Was bedeutet Verantwortung in der Kommunikation konkret für Marken? 

 
Verantwortung heißt nicht, moralisch perfekt zu sein. Es heißt, sich der Wirkung bewusst zu sein. Wer heute kommuniziert, gestaltet Diskurse mit, ob gewollt oder nicht. Deshalb sollten Marken Haltung zeigen, ohne belehrend zu sein. Natürlich sollte dies immer authentisch und aus wirklicher Überzeugung und Brandpositionierung heraus geschehen. Wer heute Respekt und Diversität fordert und morgen ein Meme über die Coldplay-Kisscam postet, macht sich unglaubwürdig. 

 

Welche Gespräche oder Begegnungen auf der DMEXCO haben Sie persönlich besonders inspiriert? 

 
Besonders im Gedächtnis ist mir das Gespräch mit Sascha Lobo hinter der Bühne geblieben. Er freute sich aufrichtig über die gute Stimmung, die er gespürt habe, als er in die DMEXCO-Hallen trat. Er hätte richtig Lust, auf einer Standparty darauf anzustoßen, sagte er. Und das tat er dann auch. Dass die positiven Vibes der Community trotz strauchelnder Wirtschaft so eine inspirierende Atmosphäre erzeugen, hat mich wahnsinnig gefreut.  

 

Wenn Sie sich die Branche in fünf Jahren vorstellen: Was wünschen Sie sich – und was sollte sich dringend ändern? 

 
In fünf Jahren wünsche ich mir eine Branche, die mutiger ist – im Denken, im Handeln, im Gestalten. Ich wünsche mir weniger Mittelmaß, weniger "das haben wir schon immer so gemacht”, dafür mehr Haltung und Kreativität. Ich wünsche mir, dass Technologie nicht nur Effizienzen hebt, sondern neues schafft. Wer immer nur auf Nummer sicher geht, verpasst die Chance, wirklich etwas zu bewegen. Deshalb: Be Bold. Move Forward.